George Leigh Mallory wurde als zweites von vier Kindern am 18.Juni 1886 in Mobberly, Cheshire,
geboren. In dieser kleinen Stadt südlich von Manchester wuchsen die Kinder idyllisch heran. Der
Vater war sowohl Geistlicher als auch Gutsherr von Mobberly. Trotz der Stellung des
Vaters im England des 18. Jahrhunderts wurden die Kinder nicht nach den engen viktorianischen
Wertvorstellungen erzogen und waren recht wild. Später sagten sie selbst über sich: "Im Vergleich
zu anderen waren wir widerspenstig und hatten schlechte Manieren." Besonders gut verstand sich George mit
seiner jüngeren Schwester Victoria:"...George hatte die Gabe, alle Dinge interessant zu machen und oft
auch recht gefährlich..." Damit spielte seine Schwester auf seine Lieblingsbeschäftigung an, schon früh
auf alles zu klettern, was man gerade noch klettern konnte. Kein Baum war zu dünn oder zu hoch, kein Dach
zu schräg oder zu glatt. Dabei zeichnete sich sein impulsiver und waghalsiger Charakter schon in jungen Jahren ab.
George ging wie alle Jungen seiner Zeit in Internate verschiedener Schulen. Zuerst bis 1896 in West Kirby, danach
in Glengorse und ab 1900 erhielt er ein Stipendium für das Winchester College. Einer seiner Lehrer, Graham Irving,
nahm ihn mit zum Bergsteigen und brachte George seine ersten 'richtigen' Klettererfahrungen bei.
1905 wechselte er nach Cambridge an das Magdalene College um Geschichte zu studieren. Hier lernte er Menschen kennen,
die später noch einen entscheidenden Einfluss auf sein weiteres Leben haben sollten.
Bis zu seinem Abschluss 1909 hatte er sich noch nicht entscheiden können, welchen Beruf er
ergreifen wollte. So dachte er daran Schriftsteller zu werden oder eine Kirchenlaufbahn
anzustreben. Im Laufe des nächsten Jahres entschied er, sich als Lehrer zu bewerben. Seine erste
Stelle bekam er dann im Herbst 1910 in Charterhouse. Hier lernte er auch seine Frau kennen,
die Tochter eines in der Nähe ansässigen Architekten. Kurz nach dem Ausbruch des ersten
Weltkrieges heirateten George und Ruth. Im September 1915 wurde ihre Tochter geboren und im
darauf folgenden Winter bekam er seine Einberufung, die er schon ersehnt hatte. Bis zu diesem
Zeitpunkt verbesserte er seine Fähigkeiten als Bergsteiger ständig und hatte auch schon Touren
als Eiskletterer unternommen. Er fuhr so häufig er konnte bzw. so häufig es seine finanziellen
Mittel zugelassen haben zum klettern nach Wales, ins Pen-y-Pas, aber verschiedentlich auch in
die Alpen. Stilistisch scheint er recht unorthodox geklettert zu sein, vielleicht sogar
nachlässig. Erst seine Kriegserfahrung und seine Verantwortung als Offizier haben dem
entgegengewirkt, so dass die Kommentare zu seinem Kletterstil nach 1919 doch besser ausfielen, als
vor dem Krieg. So wunderte es dann auch nicht, dass Mallory für das Projekt Everestbesteigung
ausgewählt wurde. Geplant waren eine Sondierungsexpedition 1921 und die Besteigung 1922.
Die Erkundung des Mount Everest stand von Anfang an nicht auf glücklichen Beinen, es ging sehr
vieles gründlich daneben. Ein Arzt starb schon während der Anreise, die ganze Crew war
zerstritten und die Ausrüstung war völlig ungenügend. Aber sie fanden eine Route auf der die
Besteigung gelingen konnte. über 4 Monate erkundeten sie die Gegend und das während der
Monsunzeit ständig über 5000 Meter hoch - Alle Achtung. Im folgenden Jahr folgte eine besser
ausgerüstete Expedition. Man brach früher auf und gelangte noch vor dem Monsun ins Zielgebiet.
Nacheinander stellten zwei Gruppen neue Höhenrekorde auf. Die Erste mit Mallory, kam ohne
Sauerstoff auf 8220 Meter. Die zweite Gruppe kam mit Hilfe von Sauerstoffgeräten sogar auf
8320 Meter. Dann aber geschah ein großes Unglück, als Mallory erneut versuchen wollte, den
Gipfel zu bezwingen. Mit 3 weiteren Bergsteigern und 14 Sherpas brach Mallory von Camp III auf.
Mallory hatte aber die Wetterverhältnisse völlig falsch eingeschätzt, durch den Schneefall der
vorangegangenen Tage begünstigt, ging eine Lawine ab und verschüttete 7 Sherpas. Zurück in
England wurde die Schuld vor allem bei Mallory gesucht, meines Erachtens nach zu Recht. Trotzdem
begann man eine weitere Expedition zum Everest zu planen, aber nicht für das folgende Jahr,
sondern erst für 1924. Mallory gelangte in dieser Zeit zu Ruhm durch Vortragsreisen in Amerika
und England. Im September 1923 trat er eine neue Stelle als Dozent an einem College in
Cambridge an. Mallory war sich unsicher über seine Teilnahme an der folgenden Expedition. Zum
einen hatte seine Unsicherheit ihren Ursprung in privaten Problemen und zum anderen dachte
Mallory nicht, dass ihm seine neue Arbeit genügend Zeit lassen würde. Aber als sein Arbeitgeber
ihm die Freistellung bei halber Bezahlung anbot, nahm er das Angebot an. Als letzter Teilnehmer
stieß Andrew Irvine zur Expeditionsmannschaft. Empfohlen wurde er von Odell, einem Mitglied von
1922 und 1924, der ihn zufällig in Spitzbergen kennen gelernt hatte. Odell war beeindruckt von
"...der natürlichen Begabung beim Bergsteigen und seinen praktischen Fähigkeiten." Den größten
Gewinn aber hatte die Expedition durch das handwerkliche Geschick von Irvine. So hätte wohl
keines der Sauerstoffgeräte funktioniert, ohne die ständige Reparatur und Verbesserung durch
Irvine. Scheinbar verstand sich Mallory von Anfang an sehr gut mit Irvine, denn beide äußerten
sich in ihren Briefen positiv über den Anderen. Schon auf der Schiffsfahrt nach Indien und beim Anmarsch
verbrachten sie viel Zeit miteinander. Mallory dachte in dieser Zeit intensiv über einen Plan
zur Besteigung nach. Dieser Plan einer klassischen Belagerung, der einen Aufbau von Höhenlagern
mit Ausrüstung bis zur Spitze vorsah, wurde bis vor kurzem praktiziert. Er zeichnet sich durch
einen ernormen Bedarf an Mitteln und Trägern aus, aber man ist natürlich auch sehr variabel.
Erst Reinhold Messner hat vor einigen Jahren eine neue Form des Umgangs mit dem Berg gefunden.
Vorgesehen waren für das Jahr 1924 zwei frühe Versuche den Gipfel zu besteigen, da Angst
herrschte der Monsun könnte sehr zeitig einsetzen. Diese Versuche sollten gleichzeitig stattfinden,
eine Gruppe mit und die andere ohne Sauerstoffunterstützung. Schon bei diesem ersten Angriff auf
den Gipfel wählte Mallory Irvine als Partner. Aber einen Angriff auf den Gipfel möchte ich es
nicht nennen, da schon auf dem Weg zum Lager III viele Träger von einem schweren Sturm überrascht
wurden, der die gesamte Expedition viel Kraft und Vorräte kostete. Erst nach 8 Tagen Entbehrung,
Hunger und Verzweiflung waren alle wieder im Basislager angekommen. Aber wie! Die meisten
waren verletzt und krank durch die Tage in Schneesturm mit Temperaturen bis -45°C. Zwei
Mitglieder waren so ausgezehrt, dass sie in den folgenden Tagen starben. Das Wetter besserte sich
nicht während der nächsten Woche. Erst nach der Audienz beim Lama von Rongbuk ließ das Wetter
einen neuen Versuch zu. Aber auf dem Abstieg vom North Col, nachdem Mallory dort Fixseile
angebracht hatte, stürzte er in eine Gletscherspalte. Sich aus dieser Lage zu befreien und in
das Lager zurückzukehren, muss wohl einiges von seinen Kraftreserven aufgebraucht haben. Sie
hatten erst Lager IV errichtet, da brach schon wieder schlechtes Wetter über sie herein. Ein
Bergsteiger hatte 4 Sherpas im Lager IV zurückgelassen, aber Mallory brach mit zwei weiteren
seiner Kameraden auf um sie zu retten. Dies gelang auch unter enormen Kraftanstrengungen.
Das gesamte Team zog sich daraufhin vom Everest zurück. Alles in allem war die Expedition bis
dahin nicht gerade glücklich verlaufen. Aber sie beschlossen nicht aufzugeben. Der
Expeditionsleiter sprach mit allen Bergsteigern über eine letzte Möglichkeit den Everest zu
bezwingen, wenn das Wetter besser werden würde. Und es wurde besser. Mit 6 Bergsteigern und den
wenigen Trägern, die noch einsatzfähig waren, stiegen sie zum North Col auf. Zuerst gingen
Mallory und Bruce bis zum Lager IV, am North Col und verbrachten dort die Nacht. Am nächsten Tag bauten sie
Lager V erneut auf, ca. 7700 Meter hoch. Anschließend stiegen sie wieder ab und trafen unterwegs
die Gruppe Norton und Somervell mit 6 Sherpas. Unterwegs hatten alle unter sehr starkem Wind und
eisigen Temperaturen zu leiden. Die Gruppe übernachtete in dem neuen Lager V und beschloss am
nächsten Tag, als der Wind nachließ, weiterzumachen und Lager VI zu errichten. Sie verbrachten
eine schlaflose Nacht und versuchten dann den Gipfel zu besteigen. Körperlich waren sowohl Norton
als auch Somervell in schlechter Verfassung. Somervell litt unter starkem Husten und Norton
zeigte erste Anzeichen von Schneeblindheit. Trotzdem stellte Norton einen neuen Höhenrekord auf,
8573 Meter. Sie stiegen schnell ab und gelangten hinunter bis in die Nähe von Lager IV, wo ihnen Mallory und
Odell entgegen kamen. Da das gute Wetter anhielt und die Sherpas die Lager wieder aufgefüllt hatten, stand einem
letzten Versuch nichts entgegen. Mallory entschied sich erneut für Andrew Irvine als Partner und
nicht für den erfahreneren Odell. Mallory begründete seine Entscheidung mit Irvines Geschick die
unentbehrlich gewordene Sauerstoffausrüstung instand zu halten und den Kocher zu bedienen. Einzig
wegen der mangelnden Erfahrung Irvines im Hochgebirge machte sich Mallory Sorgen. Am 6.Juni
brachen sie von Camp IV mit 8 Sherpas auf. 4 Träger kehrten am Lager V um, mit den Verbliebenen
übernachteten sie und stiegen weiter auf bis zum letzten Höhenlager. Hier kehrte dann auch der
Rest der Träger um und traf im unteren Lager Odell, dem sie zwei Nachrichten von Mallory
überbrachten. Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine gesicherten Daten mehr, über das weitere
Vorgehen von Mallory und Irvine, einzig Odell sah beide nochmals am folgenden Tag beim Aufstieg,
wobei er später sehr ungenaue und unterschiedliche Angaben zu ihrem Standpunkt machte. Vorstellbar
ist aber, dass beide ein kurze, schlaflose Nacht verbrachten, um am Morgen des 8.Juni zum höchsten Punkt der Erde
aufzubrechen. Das Wetter schien nach Odells Schilderungen sehr gut zu sein,
der perfekte Tag für den Gipfel. Beide richteten beim Aufbruch ein Chaos in Camp VI an,
wahrscheinlich litten sie an einer leichten Form der Höhenkrankheit. Bei der Höhe kein Wunder, vor
allem auch, wenn man bedenkt wie lange sie schon am Berg waren. Vielleicht sind sie später
aufgebrochen, vielleicht sind sie auch nur langsam vorangekommen, jedenfalls sah sie Odell gegen
12:50 Uhr unter einer Felsstufe auf ungefähr 8610 Metern. Dann zog leichte Bewölkung auf und Odell
verlor sie aus den Augen. Der Rest ist Geschichte. Sie wurden nie wieder lebend gesehen. Odell
verbrachte noch den frühen Nachmittag in Lager VI und stieg dann ab. Am nächsten Tag stieg er
mit Hazard, den er in Camp IV getroffen hatte, nochmals bis über Lager VI auf und versuchte
Mallory und Irvine zu finden, leider aber ohne Erfolg. Spekulationen darüber, wie weit sie
gekommen sind oder wie weit sie kommen konnten, zur damaligen Zeit mit ihrer Ausrüstung, gab und
gibt es zu Hunderten. Jeder kann sich darüber eine eigene Meinung bilden. Fest steht aber, das
Mallory für viele Generationen von Bergsteigern und Trekkern ein großes Vorbild ist.
In den vergangenen Jahrzehnten sind immer mal wieder Spuren von ihnen aufgetaucht. In den 30ern
wurde das Zelt von Camp VI gefunden und der Eispickel von Irvine, später in den 60er und 70er
Jahren wurden wahrscheinlich beide Leichen gesichtet, unabhängig voneinander, von verschiedenen
Expeditionen an verschiedenen Stellen. Wobei die Sichtung von Mallory durch den Fund der Leiche während einer
IMEX-Suchexpedtion 1999 bestätigt ist. Die Behauptung einer chinesischen Expedition aber, sie sei bei einer
Besteigung des Everest an Irvines Leiche vorbeigekommen, kann nicht als gesichert gelten. Fest steht noch, das
Mallory abgestürzt ist, mehrere Knochenbrüche und eine Gehirnerschütterung hatte, bevor er an
Erschöpfung, Dehydrierung und Kälte gestorben ist. Durch seinen Enthusiasmus und seinen Mut aber, ist er
unsterblich geworden. Dem Pionier des Mount Everest - Ruhe in Frieden.
P.S. Meiner Meinung nach, hat Mallory nicht den Gipfel des Mount Everest erreicht, seine Leistung
mindert dies aber nicht, auch nicht meine Bewunderung für ihn.